Donnerstag, 11. Januar 2007

Wurzelbehandlung

Die Kirche ist die "Heils-Armee" Jesu Christi, der dem Pilatus bestätigte: "Jawohl: ich bin ein König. Dazu bin ich geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich der Wahrheit Zeugnis gebe!" Aufgabe der von Christus gestifteten "Heils-Armee" ist die totale Eroberung der Menschheit für die Anerkennung und Verwirklichung jener im Gewissen verbindlichen Wahrheit, die uns Christus durch seine Bergpredigt verkündete und von der er sagte: "Wenn ihr in meiner Lehre verharrt, seid ihr meine echten Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen!" Die Anerkennung und Verwirklichung dieser Wahrheit erfolgt durch Beispiel, Wort und Gebet in ständigem Kampf gegen den "Fürsten dieser Welt", Satan, und seinen nihilistischen Anhang. Wo immer aber an der "Front" dieser "Heils-Armee" die Disziplin erschlafft, liegt es an der "inneren Führung" durch ihre "Offiziere", das Weihe- und Amtspriestertum. Die radikale Erneuerung, dieser "inneren Führung" ist die wichtigste Voraussetzung für die Verbesserung und Verstärkung der "Schlagkraft der Heils-Armee". Hier ansetzen in Zeiten der Krise ist die allen Erfolg versprechende Therapie für die kranken Glieder am geheimnisvollen Leibe Christi, in welchem Bild wir das Wesen der Kirche mit Paulus noch tiefer erfassen. Diese Wurzelbehandlung beseitigt nicht nur Krankheitserscheinungen, sondern die tiefsten Krankheitsursachen. In diesem Sinne kann man wirklich sagen: "Omne bonum a bono clero!" - "Alles Gute kommt vom guten Klerus", d.h. von einem Amtspriestertum nach dem Herzen Gottes. Dieser durch tausendfache Erfahrung der Kirchengeschichte erhärtete Satz drückt eine Tatsache aus, die dem gottgewollten Priestertum zur Ehre gereicht, so, daß H. St. Chamberlain, der Verfasser der "Grundlagen des 19. Jahrhunderts" in "Mensch und Gott" schreibt: "Kein Beruf hat so viele Helden und Heilige hervorgebracht wie der geistliche; edelgeartete Männer werden durch ihn gleichsam aus der Zeitlichkeit losgelöst und wirken schon hier auf Erden sub specie aeternitatis = unter dem Zeichen der Ewigkeit. Die Summe von Selbstaufopferung, von Hingebung in Werken der Barmherzigkeit, die täglich seit 2000 Jahren in Gehorsam gegen die Gebote des Christenheilandes dargebracht wird, läßt sich gar nicht ermessen. Beklagenswert ist es, daß gar manche Menschen hiervon keine Ahnung zu haben scheinen und daher ungerecht über den geistlichen Stand urteilen! Die in dem Satz: "Alles Gute kommt vom guten Klerus" ausgedrückte Tatsache - das sollte man mehr den gegen das Gebot der Hoffnung fehlenden Christen sagen - erhellt in trostvoller Weise selbt den dunklen Horizont einer rückläufigen Bewegung oder gar skandalösen Abfallsperiode in Teilen der Kirche, die ja aus fehlbaren Menschen besteht.

Ein typisches Beispiel soll nun das oben Gesagte illustrieren, nämlich das kirchliche Reformwerk des hl. Papstes Pius X., das er schon als Bischof begann. 1885 wurde ihm, Josef Sarto, dem Sohn eines Postboten, das schwer zu pastorierende Bistum Mantua übertragen. Sarto fand folgende Lage vor: es herrschte ein großer Priestermangel, denn mehr als ein Jahrzehnt war das Seminar von Mantua infolge antiklerikaler politischer Strömungen geschlossen gewesen; die wenigen vorhandenen Priester aber waren auf kirchenpolitischem Gebiet uneins, was mich an ein wahres Wort der stigmatisierten Resl Neumann vom Jahre 1930 erinnert: "Es gibt in Deutschland drei Feinde der katholischen Kirche: die Freimaurerei, der Kommunismus und - und das ist, so sagte sie mir, der schlimmste Feind - die Uneinigkeit im Klerus!" Viele Pfarreien im Bistum Mantua waren ohne Hirten; es fehlte weitgehend an Priesterberufen; der Glaube des Volkes war erschüttert, denn der neu auftretende, von der Loge als Vorspann benutzte Marxismus hetzte systematisch gegen die katholische Kirche, indem er ihr allein alle sozialen Mißstände in die Schuhe schob, nicht jenen liberalen Ausbeutern des Volkes, mit denen er gegen die Kirche Arm in Arm ging. Es gab damals auch vorbildliche Priester in der Diözese Mantua. Aber diese waren durch Arbeit überlastet, weil ihnen Hilfskräfte fehlten. Zwei der oberhirtlichen Vorgänger Sartos, darunter einer der gelehrtesten Bischöfe Italiens, Bischof Rota, brachen unter der Last der Schwierigkeiten zusammen. In solch verwahrlosten Weizenacker konnte der Feind mit vollen Händen Unkraut säen. Sartos Scharfblick war sofort im Bilde und entschlossen, das Übel bei der Wurzel zu packen. Am 5.7.1885 richtete er einen erschüttenden, wie mit Herzblut geschriebenen Brief an Klerus und Volk des Inhaltes:
"Um das Priesterseminar kreisen meine Gedanken, ihm gehört meine Liebe, denn die Erziehung des Klerus ist der Lebensnerv der Diözese und das Wesentlichste, was ein Bischof zu leisten hat. Liebt das Seminar! Dann wird der Wunsch eures Bischofs, dem Institut der Priestererziehung in Mantua zu neuem Blut zu verhelfen, Befehl zu Tat sein! Das allein wird schon genügen, Wunder zu vollbringen!"
Dieser eindringliche Aufruf zum Opfer für die Pflanzstätte des Priestertums verhallte nicht ungehört: die ganze Diözese sandte so reichliche Gaben, daß das Seminar in weniger als einem Jahr 147 Kandidaten des Priestertums aufnehmen konnte.
Danach führte Sarto ein Bildungs- und Erziehungsprogramm für die Seminaristen durch, das allen Anforderungen an eine ideale Ausbildung entsprach und dessen Verwirklichung gesichert war durch sorgfältigste Berufsberatung und -auswahl, durch strenge Seminar- und Selbstdisziplin unter der Leitung eines geistesmächigen und erfahrenen Spirituals, durch gründliches Studium zu tiefer Durchdringung des Stoffes, abfragbarem Wissen und großer Schlagfertigkeit in der Diskussion; durch spezielles Studium der "gewaltigen Denkarbeit des Hl. Thomas von Aquin", wie der protestantische Alfred Kröner-Verlag, Leipzig, die "Summe theologica" des scharfsinnigen Dominikaners nannte und deren gründlicher Kenner der Bischof Sarto selber war; vor allem aber durch die Berufung von Theologieprofessoren, die "chemisch rein" katholisch waren, d.h. nicht infiziert von dem damals schon schleichenden Gift des Modernismus, den Sarto schon in Mantua bekämpfte, geschweige als Papst Pius X. und von dem dieser in seiner berühmten, die Irrlehrer demaskierenden Enzyklika "Pascendi Dominici gregis" schrieb: "Wir mußten klarstellen, daß es sich bei der Lehre der Modernisten nicht um einzelne und zusammenhanglose Irrtümer handelt, sondern um ein eigentliches, gut geordnetes System von Irrtümern, von denen einer aus dem andern gefolgert wird... Doch überblickt man das ganze System, so wird man sich nicht wundern, wenn wir den Modernismus 'die Zusammenfassung und die Synthese aller Häresien' nennen! Hätte sich jemand Mühe gemacht, alle Irrtümer zusammenzustellen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden, um sie in einen einzigen zusammenzufassen, hätte er es nicht besser machen können als die Modernisten, die nicht nur die katholische Religion zerstören - wie man gesagt hat -, sondern jede Religion! Deshalb begrüßen der Rationalismus und der Unglaube den Modernismus als ihren treuesten Helfer!" -
Sarto aber führte keinen "Ohne-mich-Plan" durch, sondern übernahm zu all seinen Sorgen als Oberhirt noch das Rektorat der katholischen Akademie und dozierte selber in Dogmatik, Moral und Gregorianik. Auch begnügte er sich nicht mit den Professorenberichten über die Leistung der Seminaristen, sondern machte öfter Blitzprüfungen und übernahm grundsätzlich den Vorsitz bei den großen Examen. Schon auf diese Weise, geschweige durch seine priesterlich-väterliche Art, unterhielt er dauernden Kontakt mit jedem einzelnen Seminaristen, zu gründlicher Aussprache bei allen Schwierigkeiten.
Durch diese Maßnahmen hatte Sarto eine "Sturzwelle der Erneuerung" in seinem Bistum ausgelöst, wie einer seiner Seminaristen bezeugte, der später selber Bischof von Mantua wurde.

Pfarrer Josef Stohldreyer, Oberhausen

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